Bei sehr genauer und langer Recherche findet man Züchter, die Hunde mit ausgeglichenem Wesen hervorbringen, welche sich nicht plötzlich in „Wundertüten“ bezüglich Verhaltensauffälligkeiten oder physischen/neurologischen Gebrechen entpuppen. Viele Zwinger sollten allerdings ihre Zuchtmotive und Praktiken mit allergrößter Ehrlichkeit sich selbst und den Tieren gegenüber überprüfen.
Beim Schaffen von Leben sollte der Mensch nicht leichtfertig handeln. Oft habe ich diesen Eindruck, wenn ich mir das Schaffensprodukt so mancher „Züchter“ und Hundevereine anschaue. Ich bekomme genügend Einblick hinter die Kulissen und auf das Produkt mancher Zucht, um zu wissen, dass es gerade die leichtfertige Einstellung gegenüber der Zucht und den Tieren ist, die den Qualitätsanspruch stark sinken lässt.
Genetische Defekte und Veranlagungen bei ausgewählten Zuchthunden wollen nicht gesehen werden um das makellose Erscheinungsbild einiges Zwinger nicht zu beschmutzen. Das heisst, diese Hunde werden häufig auf der Homepage unter Nachzucht nicht vorgestellt, zu Ausstellungen nicht mitgenommen, der Öffentlichkeit gegenüber verschwiegen. Somit ergibt sich ein Trugschluss, nämlich der des verantwortungsbewussten Züchters mit gesunden Hunden. Eine Hand wäscht die andere. Nimmt man sich auf Zuchtschauen die Zeit, genauer hinzusehen, fällt ein reges Händeschütteln vor Beginn der Bewertung auf. So wundert es mich nicht, Hunde, die zu den geschüttelten Händen gehören, auf den vordersten Platzierungen zu finden. Werden Hunde nach Beziehungen gewertet, weil der eine dem anderen gefällig sein muss, um auf Ausstellungen und Ankörungen eine gute Bewertung zu erhalten, dann ist das schlichtweg korrupt. Bestechlichkeit in dieser Form betrifft nicht nur den einzelnen Hund. Es ist ein Zugrunde richten aller Rassen.
Da kommt mir ein Zitat von Coco Chanel in den Sinn welches zu diesem oberflächlichen zur Schaustellungszirkus hervorragen zutrifft; “It’s not the appearance, it’s the essence, it’s not the money, it‘s the education. It’s not the clothes it’s the class“(coco chanel).
Wer noch glaubt, dass die Zucht und die Wertung der Rassen moralisch tadellos und objektiv sei, ist naiv. Ebenso verhält sich dies bei Ankörungen (Zuchtzulassungsprüfungen in Rasseclubs). Einerseits wird das Exterieur des Hundes bewertet, zwar etwas eingehender als auf mancher Hundeschau und andererseits wird das Wesen des Hundes geprüft. Aus Erfahrung weiss ich, dass manchem Wesensrichter das kynologische Basiswissen fehlt.
Die Wesenstests welche in den verschiedenen Rasseclubs zur Ankörung der Zuchthunde durchgeführt werden sind oft rassespezifische oder nach einsatztypischen Veranlagungen der Rasse gewählt und bewertet, wie z. B. Spürtrieb oder Schussfestigkeit. Das Gutachten ist beschränkt und hat außerhalb des Vereins keine Funktion (entsprechend können die Hunde situativ konditioniert werden).
Die Bezeichnung „Wesenstest“ ist nicht geschützt oder genormt. Fakt ist, dass sämtliche Wesensbeurteilungen an Zuchtzulassungsveranstaltungen als Basis ein Leitfaden aus dem Jahre 1984 von der SKG herausgegeben haben. Dieser Leitfaden ist heutzutage komplett überaltert und deren Anwendung erachte ich als unverantwortlich und schädlich für das Zuchtwesen und die Entwicklung der Hundewelt. Solche Wesenstest sind absolut nichtssagend und wertlos bezüglich Alltagstauglichkeit der Hunde. Aus verhaltensbiologischer und tiermedizinischer Sicht fehlen zur Wesensbeurteilung fundamentale Elemente.
Natürlich ist das Wesen eines Tieres neben seiner Genetik insbesondere von der Haltung (Umwelt) und Erziehung abhängig. Diesem Sachverhalt (Alltagstauglichkeit, Zusammenarbeit mit dem Menschen, etc.) wird beim Wesenstest bei Zuchtzulassungsprüfungen ausser Acht gelassen. Auch fraglich ist, dass der Wesenstest bei der Zuchtzulassung einmalig durchgeführt wird und bei Bestehen die Zuchtzulassung auf Lebzeiten erteilt wird. Da stellt sich mir die Frage ob es nicht sinnvoll wäre die Wesensüberprüfung so wie der Gesundheitszustand der Zuchttiere periodisch zu überprüfen.
Bei einem Wesenstest geht es doch insbesondere um die Prüfung der Reaktion des Hundes auf Umweltreize, Alltagssituationen die unter Umständen Konfliktlöseverhalten (Aggressionsverhalten, Flucht etc.) bei Hunden auslösen können. Aggressionsverhalten ist ein normaler Bestandteil des Sozialverhaltens auch bei Hunden. Hunde, die in adäquat bedrohlichen oder ängstigenden Situationen knurren oder bellen, sind nicht pauschal als gefährlich einzustufen.
Hundehalter müssen in der Lage sein das Aggressionsverhalten ihrer Hunde beurteilen und beeinflussen zu können , so dass keine Belästigung oder gar Gefährdungen von Menschen und/oder Artgenossen auftreten. Hunde müssen entsprechenden Reizen begegnen können, ohne dass eine Situation eskaliert. Auch diesem Aspekt, nämlich die Beurteilung des „Teams“ (Hundeführer/Hund) wird bei Zuchtzulassungsprüfungen kaum Platz eingeräumt. Die Führigkeit des Hundes durch den Hundeführer wird komplett ausser Acht gelassen.
Ziel solcher Wesenstests sollte es sein, Hunde mit gestörtem Sozialverhalten, insbesondere einem unakzeptablen (inadäquaten) Aggressionsverhalten (Fehlen der Eskalationsstufen) herauszufinden, denn sie sind für ihre Umwelt aufgrund der dargestellten Störung ihres Sozialverhaltens ein erhöhtes Gefährdungspotenzial und gehören nicht in die Zucht.
Im Bereich der Kynologie und der Zucht ist es wichtig sich stetig auf dem neusten Stand zu halten und sich weiter zu bilden. Neugierde und Passion zu haben, offen zu sein, neue Wege beschreiten zu wollen gehören zu den Tugenden, welche jeder Züchter mit sich bringen sollte. Stillstand ist Rückschritt. Nicht wissen führt zu Inkompetenz. Nicht nur die naturwissenschaftlichen Gebiete wie Genetik, Biologie,etc., sondern auch die Kynologie haben sich in den letzten 30 Jahren erheblich weiterentwickelt. Neue Erkenntnisse wurden gewonnen. Was einmal war hat heute kein Bestand mehr, respektive sollte dringendst überprüft und überdacht werden. (Zuchtrichtlinien, Zuchtzulassungen, Wesenstests für Hunde, die Anforderungen (Fachwissen) welche ein Wesensrichter bei einer Ankörung erfüllen muss um überhaupt diese Aufgabe sachkundig wahrnehmen zu können, etc.). Auch die Rasseclubs sind hinsichtlich der kynologischen Entwicklung gefordert.
Wer als Neuling denkt, er begebe sich mit seiner Idee, Ruhm und Ehre durch Ausstellung und Zucht zu erreichen, in eine freudestrahlende Gesellschaft, die auf innovative Köpfe mit Rede und Sekt einen Willkommensgruss singt, wird enttäuscht. Denn er wird bald ohnmächtig feststellen, den weiteren Zuchtweg in Ketten beschreiten zu dürfen. Bevor ich mit dem Zuchtgedanke überhaupt gespielt habe, sprach ich mit einer Züchterin über das Züchten. Sie sagte wortwörtlich: „Mit den Leuten im Vorstand musst du dich gut stellen, sonst drehen sie dir den Hahn zu, bevor du je mit Züchten angefangen hast“. Pudere der Chefetage den Hintern, und dir wird eine Erlaubnis erteilt, züchten zu dürfen. Geht dir der Puder aus, sind die hinteren Plätze deine. Wie Recht sie hatte wurde mir später bewusst.
Das Verwischen und Verschweigen von Mängeln an einem einzelnen Hund, einer Zuchtstätte oder gar einer ganzen Rasse ist eine Unverantwortlichkeit nicht nur der Rasse und den einzelnen Hunden gegenüber. Nein es ist auch eine Unverantwortlichkeit des Menschen gegenüber der sich über die Anschaffung eines Hundes Gedanken macht, eines Menschen der mit dem Gedanken ein Tier zu übernehmen spielt und sich im Vorfeld informieren möchte. Es wird gelogen und betrogen dass sich die Balken biegen. Viele Züchter gehen nur noch den eigenen Bedürfnissen, Geld, Prestige, ein guter Name, ein toller Ruf als Züchter nach. Dabei haben viele den eigentlichen Sinn der Zucht und des Zuchtziels meilenweit aus den Augen verloren. Anstatt sich für den Erhalt einer gesunden, wesenstarken Rasse stark zu machen zählt häufig nur der nächste Wurf, der nächste Preis und vor allem die guten Kontakte zu Wesensrichtern, Vorstandsmitglieder des Rasseclubs, Präsidenten u.v.m. Und gerade solche Züchter schaden langfristig leider nicht sich selbst sondern der ganzen Rasse, der eigenen Nachzucht und den Welpenkäufern. Aufgrund Gefälligkeiten, gut geknüpfter Kontakte und «Vetterliwirtschaft» wird ein Hund nicht mehr objektiv beurteilt. Sobald zwischen Züchter und Richter eine Beziehung besteht, sei dies freundschaftlich oder gar wirtschaftlich ist die Objektivität und Qualität einer Beurteilung nicht mehr gewährleistet. Dennoch schaffen es die meisten Züchter noch aus einem heillos verkorksten Wesen bare Münze zu zaubern- wirtschaftlich eine Meisterleistung, moralisch nicht zu verantworten.
Vielmehr sollte in unserer Gesellschaft ein kompetenter, fachlich gebildeter und verantwortungsvoller Hundebesitzer gefördert werden, denn dies ist eine generell wirkungsvolle Maßnahme, um Verhaltensproblemen bei Haushunden vorzubeugen. Da sind die Politik, die kynologischen Verbände und Rasseclubs und nicht zuletzt jeder einzelne Hundehalter gefordert.
Bei allem Verdienst und Ruhm in der Zucht sollte nicht nur Ehrlichkeit das Fundament des Geschäftes sein. Es sollte auch die Zeit gefunden werden, sich immer wieder den wahren Hintergrund züchterischer Aktivitäten vor Augen zu führen. Geld und Anerkennungen dürfen Nebenerscheinungen sein, aber nicht die Essenz. Jeder, der sich daran macht, neues Leben zu kreieren, sollte ein hohes Maß an Verantwortungsgefühl in sich tragen. Denn schließlich ist es für viele Menschen in den nächsten 8 bis 14 Jahren der einzige Hund.
Achten Sie also beim Kauf auf jedes Detail beim Welpen. Fragen Sie nach dem Wesen der Elterntiere. Achten Sie auf das Verhalten aller Tiere, auf den Züchter selbst. Ein großer Name bedeutet: gar nichts. Es sind am Ende nur Menschen wie wir alle. Mit Schwächen, die nicht selten bis zum Himmel stinken. Stellen Sie ihm Fragen, denn es ist nicht nur das Recht des Züchters Fragen zu stellen sondern auch Ihres. Seien Sie pingelig.
Ein guter Züchter geht auf jede Frage ein. Er überzeugt Sie mit seinem Fachwissen und ist ehrlich, wenn er bei einem Welpen Bedenken hat. Er schwatzt ihnen keinen Welpen auf und verweigert auch mal den Verkauf, wenn der Käufer so gar nicht für diesen Hund geeignet ist. Diesen Verkäufer zu finden, ist ein Glücksgriff.
„Von mir aus kann der Hund auch grün am Arsch sein, Hauptsache sein Wesen stimmt.“ Das ist die Auswahl, nach der ich den Hund kaufe. Stimmt die Chemie nicht zwischen dem Hund und mir, dann werden wir kein Pärchen. Lassen Sie Ihr Verstand sprechen und vermeiden Sie es, auf den mütterlichen Milcheinschuss zu reagieren, der genau dann einsetzt, wenn die Meute angetippelt kommt. Um Energien zu spüren, muss man in Ruhe betrachten, frei von jeder Euphorie.
„Nicht dieser Text legt fest, was Sie lesen, sondern Ihre Struktur, Ihre jeweilige Befindlichkeit. Dabei obliegt es jedoch allein mir, keinen Unsinn zu verzapfen, denn ich bin selbst verantwortlich für das, was ich schreibe, bloß bin ich nicht verantwortlich für das, was Sie lesen“ (Humberto Maturana, Neurobiologe und Philosoph)
ck/2019
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